Podiumsdiskussion „Österreich–Russland 1945–2025“

Am 23. Mai fand im Rahmen der Sonderausstellung „Wehrmachtssoldaten & Rotarmisten. 80 Jahre Kriegsende“ im „Ersten Österreichischen Museum für Alltagsgeschichte“ eine prominent besetzte Podiumsdiskussion in Kooperation mit der Waldviertel-Akademie statt. Titel: „Österreich–Russland 1945–2025. Ziemlich beste Freunde?“

Museumsleiter Friedrich Polleroß begrüßte u.a. Bürgermeister Günther Kröpfl, Altbürgermeister Johann Müllner, Martina Dorfinger (Waldviertel-Akademie), Oberst Julius Schlapschy, Historiker Andreas Kusternig und WHB-Altpräsident Erich Rabl, sowie die 50 interessierten Anwesenden. Anschließend übergab er an Moderator Reinhard Linke (ORF, Kultursenat NÖ), der auf die Bedeutung der Jahre 1945, 1955 und 1995 verwies und die problematische Pauschalisierung „die Russen“ kritisierte.

Wolfgang Müller (Universität Wien) beleuchtete die wechselvolle Geschichte der österreichisch-russischen Beziehungen – vom Kriegsende über den Staatsvertrag bis zur Gegenwart – und plädierte für eine differenzierte Betrachtung der ehemaligen Sowjetrepubliken. Persönliche Familienerinnerungen und politische Entwicklungen veranschaulichten die Ambivalenz des Jahres 1945.

Philipp-Joseph Lesiak vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung verwies auf das negative Image der Roten Armee, das u. a. durch NS-Propaganda geprägt wurde. Er hob Österreichs außenpolitische Ambitionen seit dem Kennedy-Chruschtschow-Treffen sowie die Gaslieferungen ab 1968 als Beginn einer pragmatischen Kooperation hervor – trotz fehlender persönlicher Kontakte zwischen Österreichern und Sowjetbürgern.

Susanne Scholl, Tochter jüdischer Emigranten, schilderte ihr idealisiertes Bild der Sowjetunion und ihre Erfahrungen als langjährige ORF-Korrespondentin in Russland und der Ukraine. Sie betonte, dass 1945 keine „Stunde Null“ war, sondern eine komplexe Folge historischer Entwicklungen – auch beeinflusst durch kommunistische Direktiven. Die Rote Armee in Österreich bestand u. a. aus Ukrainern und Soldaten aus dem fernen Osten – eine Differenzierung sei wichtig.

Im zweiten Teil der Diskussion ging es um aktuelle Fragen: die Rolle der österreichischen Neutralität, mangelnde Reaktionen nach 2014 und das militärische Übergewicht Russlands trotz wirtschaftlicher Schwäche. Zur Zukunft Russlands gab es unterschiedliche Einschätzungen – einig war man sich nur darin: Prognosen sind für Historiker besonders heikel, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

Die Ausstellung selbst ist bis 31. August jeden Sonn- und Feiertag von 14-17 Uhr geöffnet.

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